Mauk – Westwand

Ich bin nach der Elektrikerlehre in den technischen Dienst der Post eingetreten. Mit einem Kollegen zusammen hatte ich die Aufgabe in allen posteigenen Gebäuden und Anlagen von Zirl bis Bregenz die Starkstromanlagen einschließlich Blitzschutz zu überprüfen. Unser Chef war ein gewisser Ing. Hübl, der im Gebäude der Hauptpost in der Salurnerstraße sein Büro hatte. Wenn mein Kollege Urlaub hatte, war ich zur Untätigkeit verdammt, weil irgendein schlauer Hofrat in Wien die Alleinarbeit für uns verboten hatte.
Ich konnte deshalb im Sommer viel Zeit im Schwimmbad Tivoli verbringen. Franz Siedler, Toni Braun und Kurt Kranebitter waren an einem schönen sonnigen Augusttag auch hier und luden mich ein, mit ihnen in den Wilden Kaiser klettern zu fahren.
Erst am späteren Nachmittag machten wir uns auf den Weg zur Gaudeamus Hütte. Ich am Sozius von Kurtls englischer Viertakt- Maschine, (es könnte eine Ariel gewesen sein) die zwar super dahinschnurrte aber ziemlich viel Öl verbrauchte und verlor.
Am nächsten Tag marschierten wir reichlich spät zum weit entfernten Einstieg der Mauk Westwand. Der Nimbus dieser Wand war zwar schon bekannt, aber das wusste ich damals noch nicht. Es war der Tag meines 19. Geburtstages. (11.08.1962) Die Erstbegehung erfolgte am 22. August 1943. Klettererfahrung mit Touren im 6. Grad hatte ich so gut wie keine. Meine Ausrüstung war entsprechend der damaligen Zeit, eher dürftig. Steigleitern hatte ich sowieso keine. Also mussten es zwei Reepschnur- Schlingen mit Karabiner auch tun.
Die untersten grasdurchsetzten Seillängen im oberen fünften Grad gingen ganz gut. Dann kam der so genannte „Woll- Woll“ Überhang. Eine stumpfe Verschneidung, die damals so genannt wurde, weil angeblich Hermann Buhl den Vorsteiger Wastl Weiß nach langem Gemurkse gefragt haben soll, ob´s schon geht? Wastei, wie er in Kitzbühel und als Wirt der Akerlhütte genannt wurde, soll trocken geantwortet haben: „Woll-woll“. Danach ist also diese spezielle Kletterstelle benannt. Angeblich sind bereits an dieser Stelle einige Superkletterer gescheitert.
Siedler Franz als Erster von uns schaffte es aber, diese äußerst griff- und trittarme Stelle zu meistern.
In einer der folgenden Verschneidungen mit überhängendem Ausstieg musste ich noch einmal zurück um den Karabiner der Reepschnur- Steigschlinge wieder auszuhängen. Aber mit Kurtls Sicherung und Zug von oben, war ich dann auch schnell am Standplatz. Kurt hatte schon Fiffis mit speziellen Haken, die sich selbständig lösten.
Einige noch sehr steile, aber kletterbare Seillängen führten zum berühmten 40m- Quergang. Franz und Toni waren schon drüben am luftigen Standplatz. Dort unterhalb in der glatten grifflosen Wand hat Buhl Geschichte geschrieben. Kurtl kämpfte mitten im Quergang zwar noch mit seinen offenen Schubändern, aber es ging alles gut und ich war auch bald drüben. Die Aus- und Einhängerei mit den Karabinern an den Steigschlingen ging mir hier auch ganz schön in die Arme.
In den letzten Seillängen, die ganz oben in steiles Schrofen Gelände mit viel Gras übergehen, wurde es bereits dämmrig. Kein Wunder bei unserem späten Start und der langen Querung bis zum Einstieg. Normalerweise wird diese Wand von der viel näher gelegenen Ackerlhütte angegangen.
Franz und Toni wählten den Abstieg über den Mauk- Gipfel zum Hoch- und Niedersessel. Da es immer dunkler wurde, entschieden Kurtl und ich uns für die Abkürzung über die Rampe an der Westflanke. Zwar nur Einser Gelände, aber bei der Dunkelheit doch nicht zu unterschätzen. Unten am Niedersessel sind wir fast zeitgleich mit ihnen wieder zusammengetroffen.
Nach dem heiklen grasigen Abstieg über die Schofen zum Hochgrubenkar, waren wir vordringlich auf der Suche nach einem Brunnen. Unser Durst war gewaltig, weil wir so gut wie nichts zum Trinken mithatten. Natürlich ein Fehler, bei einer so langen Kletterei im Hochsommer in einer Süd- Westwand.
Es war schon sehr spät, als wir völlig ausgetrocknet bei einem Wochenendhaus geklopft haben. Den etwas verstörten Bewohner haben wir gebeten, uns etwas zum Trinken zu geben. Diesem Wunsch ist er auch nachgekommen und hat uns ein großes Gefäß mit Wasser gereicht. Das war, wie sich zum Schluss herausgestellt hat, für ihn ein großer Fehler. Wir haben dieses Gefäß nicht mehr aus der Hand gegeben und es bis zum allerletzten Tropfen komplett ausgetrunken. Und das zu dieser sehr späten Stunde. Er hat dann nur mehr gesagt: „So hab i mir des net vorgstöd, denn des war mein letztes Wasser, und des muss i selber vom Dorf herauftragen!“
Zu Hause hatte sich unsere Klettertour rasch herumgesprochen. Es ist allein Kurtls Verdienst, der die Route als erster am Seil geklettert ist, dass ich zu dieser völlig unverhofften schweren Tour gekommen bin.
Nachtrag vom Dezember 2021:
Die entscheidende Stelle, die Buhl damals gemeistert hat, wurde für die Wiederholer unmöglich gemacht, weil Wastl angeblich eine entscheidende Felsschuppe abgeschlagen hat.
Nach vielen Fehlversuchen, auch von den besten Kletterern der damaligen Zeit, nagelten Karl Gombocz und Luis Vigl etwas höher unter einem Wulst den 40m Quergang ein. Sie schafften damit zwar die zweite Begehung der Wand, umgingen aber die entscheidende Schlüsselstelle.
Heute wird von den Spezialisten, die den VIII. Grad beherrschen, in etwa die Linie von Hermann Buhl geklettert. Das ist erstmals 2011 gelungen!
In einem akribisch recherchierten Beitrag von Peter Brandstätter, veröffentlicht in der Zeitschrift Berg und Steigen, ist die ganze Geschichte über die Erstbesteigung 1943 durch Wastl Weiß, Hermann Buhl und Hermann Reischl, sowie von den zahlreichen gescheiterten Wiederholungs- Versuchen nachzulesen.
Verfasst von Klaus Brandmaier, 2007